Obermutten GR

Stallumbau

Seine letzte Transformation: vom Stall zum alpinen Ferienhaus

Die Walsersiedlung Obermutten liegt auf einem flachen Geländesattel hoch über dem Albulatal im Kanton Graubünden. Die als Haufendorf angeordneten Wohn- und Ökonomiebauten sind mehrheitlich in Strickbauweise erstellt und richten ihre Giebelfassaden fast einheitlich dem Tal zu.

Betritt man über die Kiesstrasse von unten her das Dörflein, begrüsst einem der direkt am Weg liegende umgebaute Stall mit seiner prägnanten neuen Öffnung zum Tal.

Dorf in Holzbauweise

Das Gebäude ist eines von vielen, welche – zwar alle in Holzbauweise erstellt – offensichtlich etwas neuer sind als die grossen, gut erhaltenen Strickbauten aus dem 18. Jahrhundert. Der Stall wurde nach dem verheerenden Dorfbrand von 1946, welcher 17 Gebäude des östlichen Siedlungskerns zerstörte, vermutlich auf der Hofstatt des Vorgängerbaus errichtet. Ist das Sockelgeschoss mit Kuhstall in traditioneller Strickbauweise erstellt, wird dieser von einem Heuraum in Riegelbauweise überdacht. Der Riegelbau erweitert das Gebäude im Westen mit einem über beide Geschosse offenen Raum, welcher als Einfahrt für den Heuwagen und als Remise diente.

Schlafen in der Koje

Unser Umbau zielte darauf ab, die bestehende Bausubstanz zu respektieren und zugleich einen komfortablen Ferienort für eine sechsköpfige Familie zu schaffen. Das Erdgeschoss wurde zu einem Schlafbereich mit einem Raum mit 6er-Schlafkoje und einem separaten Doppelzimmer umgebaut.

Vorbild für die Binneneinteilung im Erdgeschoss waren die traditionellen Bohlen-Ständer-Wände in Kuhställen. Eine Nasszelle mit Dusche und der Technikraum sind ebenfalls im Erdgeschoss integriert.

Wohnen im Heustock

Der Erschliessungsturm im westlichen Riegelbau funktioniert als unabhängig in den Raum gestellte Holzstruktur. Darin integriert das separate WC unter der Treppe. Hier wird der Niveausprung zwischen Schlafgeschoss und Hauseingang, welcher auf der Strassenseite beim ehemaligen Einfahrtstor liegt, überbrückt und der Zugang ins Obergeschoss ermöglicht. Im offenen ehemaligen Heuraum befindet sich der Wohnraum mit Essbereich und Küche. Als Teil der eingebauten Erschliessungsstruktur, über dem Eingangsbereich liegend, bildet sich eine etwas vom Hauptraum erhöhte Sofa Ecke. Hoch oben über der Treppe liegt der «Adlerhorst», ein lauschiger Platz als offener Rückzugsort hoch oben im Gebälk der alten Dachkonstruktion.

Der Stall bleibt Stall

Before After stallbau

Fassadengestaltung

Die Gestaltung der Fassade wurde in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege entwickelt. Ziel war es, den Ausdruck bei dem eines Stalls zu belassen, während die neuen Anforderungen eines Wohnhauses an Licht und Raum erfüllt werden. Augenscheinlich ist der Eingriff mit der neuen zentralen Öffnung an der Giebelfassade, welche eher die Massstäblichkeit eines Scheunentors als eines Fensters hat und das Gebäude immer noch wie ein Stall aussehen lässt.

Die Fassadenschalung wurde im Zuge des Umbaus, welcher auch umfangreiche Wärmedämm-Massnahmen beinhaltete, neu erstellt. Die konischen, rohen Lärchenbretter sind nach dem Vorbild des alten Stalls vertikal und stumpf gestossen montiert. So entspricht das äussere Erscheinungsbild weiterhin dem eines Stalls und fügt sich harmonisch in das intakte Dorfbild ein.

Ein Ort für die Familie

Im Innenraum kombiniert die Gestaltung traditionelle und moderne Materialien. Betonelemente wie die Waschtische, Duschtasse und Küchenarbeitsplatte in Kombination mit neuem Fichtenholz fügen sich in die bestehende Konstruktion aus Holz ein und schaffen eine zeitlose Ästhetik.

Mit diesem Umbau wurde ein Ferienhaus geschaffen, das der Familie nicht nur Raum zum Leben bietet, sondern auch die Verbindung zur alpinen Tradition und Natur aufrechterhält. Das Zusammenspiel von altem und neuem Holz in der alten Raumstruktur des Stalles und die räumliche Übergrösse des Heustocks macht den besonderen Reiz dieses Hauses aus – ein Ort, an dem man sich gemütlich einigeln kann und trotzdem eine Grosszügigkeit spürt, welche in diesem Massstab nur in den Ställen, nicht in den Wohnhäusern zu finden war.

Bildergalerie des fertigen Projekts

hûs: papierbespannte innere Schiebeläden (Shoji)

Projektdauer: 2019-21

Planung und Bauleitung: hûs Architektur & Handwerk